
Jetzt muss ich mich aber sputen mit meinem blogbeitrag zur Farbpalette „Winter“. Die Temperaturen steigen und bei Plusgraden will keiner mehr was vom Winter wissen. Auch wenn es seine wunderbaren Farben sind. Kürzlich habe ich über die chanchierenden Farben im Schnee und den grafischen Charakter der Schneelandschaft berichtet. Heute möchte ich die Nahaufnahme wagen und die Farben, die der Winter dem Kalligrafen bietet, näher betrachten. Reduziert in der Farbwirkung einerseits - wie bei den Schlehen (aus deren Rinde sich auch eine Kalligrafie – Tinte kochen lässt) und leuchtend andererseits, wenn wir Moose und Flechten auf Ästen betrachten oder auch die trockenen Eichenblätter im Schnee.
Schlehen als kalligraphische Farbinspiration
Die aufgeplatzen Schlehen zeigen ein Anthrazit-Spektrum, das einen schönen Kontrast zum gräulichen Geäst und zum weissen Schnee bildet. Das Besondere aber ist die bräunliche Farbe der Frucht. Diese Palette kann die Kalligrafin nun malerisch nutzen: weißer Hintergrund, gräuliche Schattierungen, antrazithfarbene Schrift, bräunliches Ornament. Oder wir sehen die kalligrafische Linie in der Beere: die aufgeplatzte Haut gibt interessante braune Strukturen frei, die sich teilweise zu Flächen ausweiten. Das ist doch was, das gibt Raum für die experimentelle Kalligrafie, hier darf gespielt werden. Frei nach dem Motto: „Kunst ist die höchste Form des Spiels“

Moose und Flechten: Farb-Frühling mitten im Winter
Ja dürfen die das denn überhaupt? Das ist ja eigentlich viel zu grün für eine Winterfarbe – aber das ist, was die Natur uns vorgibt. Warum es also nicht dankbar annehmen und schauen was wir für unsere Kalligrafie daraus lernen können. Weiss, Hellgrün, Gelb, Ocker, ein bisschen Grau? Ein bisschen Dunkelgrün? Auch die Strukturen sind spannend: Sehr spitze Formen ganz eng an sehr runden Formen. Fast schon wie geometrische Formen und organische Formen. Wobei geometrisch / organisch Problem in der Kalligrafie für mich ungelöst ist. In einem Werk geht entweder das eine oder das andere. Nie beides, es führt immer zum Fiasko. Vielleicht kann dieser Ast eine Vorgabe bilden für einen neuen Ausgangspunkt, diese Frage wenigstens im Ansatz zu beantworten.

Grün, Rotbraun, Braun
Und zuletzt:
Grün, Rotbraun, Braun. Das passt nun wieder eher in unser Weltbild für den Winter. Aber auch hier ist es überraschend, wie kräftig die Farben sind.
